Finden von Zuchtzielen
Für das finden von Zuchtzielen ist es wichtig, die Beziehung der Pflanze zu ihrer Umwelt einerseits und zum Menschen andrerseits zu betrachten. Auf die Pflanze blickend, ergeben sich Fragen wie: Was steckt noch Verborgenes in dir drinnen, wie lebst du in deiner Umwelt, wohin möchtest du dich entwickeln, wie sind deine Früchte der Zukunft? – Auf den Menschen blickend ergeben sich Wünsche sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht.
Diese Wünsche einerseits und die Möglichkeiten der Pflanze in ihrem Lebenszusammenhang andererseits gilt es nun aufeinander abzustimmen. Dem Bio-Züchter ist es dabei ein Anliegen, das Wesen der Pflanze zu respektieren und ihr nicht Unmögliches abtrotzen zu wollen. Die Förderung ihrer Vitalität, ihrer Gesundheit, Harmonie und Schönheit ist die Grundlage dafür, dass ihre Früchte auch eine die menschliche Gesundheit fördernde Qualität aufweisen werden. Auch wenn Zuchtziele sich oft auf einzelne Eigenschaften beziehen, ist es von grosser Wichtigkeit, dass der Züchter die Pflanze als Ganzes mit ihrer Umwelt im Auge behält.
Was erwarten wir von neuen Sorten?
- Tafelobst von bester Qualität (knackig, saftig, aromatisch, …)
- Gute Eigenschaften bezüglich Shelf life und Lagerung
- Gute agronomische Eigenschaften (hohe, sichere und regelmässige Erträge)
- Unproblematisch im ökologischen Anbau bezüglich Krankheiten und Schädlingen
Mit welchen Sorten wird gezüchtet?
Die Frage nach dem Ausgangsmaterial für neue Züchtungen ist sehr evident. Der Züchter wendet dabei seinen Blick „rückwärts“ und schaut auf das, was die Pflanze aus der Vergangenheit mitbringt. Die vielen Sorten lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Bei unserer Elternwahl gehen wir zunächst von folgender Einteilung und Charakterisierung aus.
- Alte Landsorten: Die alten Sorten sind nicht durch bewusste Züchtung entstanden, sondern als „Zufallssämlinge“ aus der Beziehung von Mensch und Kulturpflanze hervorgegangen. Es finden sich unter den tausenden von alten Sorten (mehr dazu unter www.fructus.ch) solche mit interessanten Eigenschaften. Sie können für die Züchtung wertvoll sein, wie zum Beispiel die Sorte Alant, bei der kürzlich eine hohe Toleranz gegen die neue Bakterienkrankheit Feuerbrand festgestellt wurde. Auch geschmacklich gibt es Sorten, deren Weiterentwicklung durchaus sinnvoll erscheint (Beispiel Ananasreinette). Was für die vermehrte Verwendung der „alten Sorten“ als Zuchtmaterial spricht, ist die Tatsache, dass dadurch die genetische Basis verbreitert wird. Nachteilig ist hingegen, dass ihre Eigenschaften zum Teil nur ungenügend erfasst sind und zudem mit einer grösseren Variabilität der Nachkommen zu rechnen ist als bei Sorten, die bereits über mehrere Generationen selektioniert wurden. In der Schweiz wurden in den letzten 20 Jahren alle alten Obstsorten von der Forschungsanstalt Agroscope Wädenswil inventarisiert und auf interessante Eigenschaften (zum Beispiel breitabgestütze Feldresistenzen für Schorf oder Feuerbrand) geprüft. Dreissig „Top“-Sorten aus dieser Arbeit stehen seit 2016 auch Poma Culta zur Verfügung. Anmerkung: Weltsorten wie Golden Delicious, Granny Smith und Braeburn sind ebenfalls Zufallssämlinge. Golden ist heute Stammsorte der meisten Zuchtsorten.
- Neue Zufallssämlinge: Aus jedem Apfelkern, der auskeimt, entsteht etwas Neues. Immer wieder werden solche Sämlinge entdeckt: Am Strassenrand, im Gebüsch bei Picknickplätzen u.s.w. . Die meisten dieser Sämlinge weisen kaum brauchbare Eigenschaften auf. Eine systematische Sammlung, die der niederländische Apfelforscher Tijs Visser in den 90er Jahren angelegt hatte, zeigte jedoch bei Zufallssämlingen von der Nordseeinsel Schiermonnikoog eine erstaunlich gute Schorftoleranz, was für die Biozüchtung wertvoll sein kann.
- Moderne Zuchtsorten: Die meisten der heute im Verkauf angebotenen Zuchtsorten gehen auf nur wenige Stammsorten ( Cox Orange, Golden Delicious, Jonathan, Wagener) zurück. Sehr viele haben einen hohen Anteil ihrer Genetik von Golden. Moderne Sorten weisen in Bezug auf Aussehen, Geschmack und Biss sehr gute Eigenschaften auf. Ihr Geschmack wird aber oft als sehr eng verwandt empfunden. Dies besonders bei der Gruppe mit Goldenherkunft. Auch die technischen Eigenschaften wie die Druckfestigkeit der Früchte oder die Haltbarkeit am Lager sind bei modernen Sorten sehr gut. Die meisten sind aber in hohem Mass krankheitsanfällig (Ausnahmen siehe 4.) und können nur unter Einsatz von geeigneten Pflanzenschutzmitteln angebaut werden. Bei der Verwendung in der Biozüchtung muss letzterem Punk deshalb grosse Beachtung geschenkt werden.
- Moderne Sorten mit Resistenzen: Seit Jahrzehnten arbeiten Apfelzüchter daran Sorten zu entwickeln, die Resistenzen gegen Krankheiten aufweisen. Am weitesten verbreitet ist die Resistenzzüchtung gegen den Apfelschorf. Das züchterische Vorgehen besteht in den meisten Fällen darin, dass in Wildäpfeln Gene, deren Vorhandensein mit einer Krankheitsresistenz einhergeht, identifiziert werden. In einem mehrstufigen Züchtungsprozess wird das Resistenzgen in den Kulturapfel eingekreuzt. Unterdessen stehen eine Reihe solcher Sorten zur Verfügung. Einige sind gerade im biologischen Apfelanbau gut eingeführt. Leider werden monogen vererbte Resistenzen von den Krankheitserregern meist nach einigen Jahren überwunden, sodass die Äpfel erneut von Schorf befallen werden. Der Schorfdurchbruch bei den resistenten Sorten der ersten Generation ist leider bald in ganz Europa Tatsache. Die Züchtung fokussiert nun vermehrt darauf, breit abgestützte polygene Resistenzen (siehe alte Landsorten) einzukreuzen. Dies verspricht zwar nachhaltiger zu sein, ist aber züchterisch sehr viel aufwändiger.
- Ungeeignetes Ausgangsmaterial: Ungeeignetes Ausgangsmaterial sind Sorten, Zuchtnummern und Sämlinge einschliesslich deren Nachkommen, welche mit Züchtungstechniken entwickelt wurden, die mit den Grundsätzen der Biozüchtung nicht vereinbar sind. Als solche Züchtungstechniken sind namentlich gentechnische Methoden, Protoplastenfusion u. dgl. zu erwähnen.